Nachdem der Bürgermeister die Frist zur Beantwortung der Einwohner-Anfrage am 21. Juni verstreichen ließ, erhielt Rainer Sauer letzte Woche vom Bürgermeister-Büro die Nachricht, dass seine acht Fragen zu den Abrissarbeiten der maroden Holzbrücke am Rodelberg nunmehr in der Ratssitzung am 30. August beantwortet werden. Bei den Abrissarbeiten kam am 31. Mai ein Mitarbeiter des ESB ums Leben, zwei weitere Mitarbeiter wurden verletzt.
Laut Gemeindeordnung NRW dürfen Einwohner der Stadt Einwohneranfragen stellen. Davon hat Rainer Sauer als Privatperson zum schlimmen Unfall am Rodelberg Gebrauch gemacht, wo Ende Mai bei Abbrucharbeiten der Holzbrücke ein Mitarbeiter des ESB zu Tode kam und zwei weitere Mitarbeiter verletzt wurden. „Jedoch ließ der Bürgermeister die Einwohneranfrage unbeachtet. Er beantwortete diese nicht im Stadtrat, obwohl die Geschäftsordnung des Rates dies zwingend vorsieht“, sagt Sauer. Auch auf ein Erinnerungsschreiben reagierte das Stadtoberhaupt zunächst nicht. Letzte Woche kam die Nachricht, dass Sauers acht Fragen nunmehr in der Ratssitzung am 30. August beantwortet werden.
Im Schreiben heißt es: „Die Beantwortung der konkret von Ihnen gestellten Fragen bedürfen angesichts der Sensibilität des Themas und der Vielzahl der Fragen weitergehende Feststellungen der Verwaltung. Daher hat der Bürgermeister die Behandlung Ihrer Einwohneranfrage zu den Abbrucharbeiten der maroden Holz-Brücke am Rodelberg für die öffentliche Sitzung am 30.08.2023 vorgesehen.“
Nachfolgend Rainer Sauers Einwohneranfrage vom 12.06.2023:
„Stadtverordnetenversammlung am 21.06.2023
– Einwohneranfrage zu den Abbrucharbeiten der maroden Holz-Brücke am Rodelberg
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
die 19 Meter lange und 3,40 Meter breite Holz-Brücke am Rodelberg steht seit der Sperrung aus Sicherheitsgründen im Jahr 2020 im Fokus der öffentlichen Diskussion, da eine neue Brücke immer wieder hinausgezögert wurde, während andere Projekte offenbar vorrangig angegangen wurden.
Auch u.a. im Rat war die Holzbrücke immer wieder mal Thema. Dazu gab es mehrere Ratsanfragen und einen Antrag zum Haushalt. Schließlich hat die Stadt Bocholt am 26. Mai 2023 mit einer Pressemitteilung angekündigt, dass die Rückbauarbeiten der maroden Holz-Brücke am 30. Mai 2023 beginnen.
Am 30. Mai 2023 war ich in der Mittagszeit ca. zwei Stunden am Rodelberg. Was ich in Bezug auf Arbeitssicherheit und den Abbau der Holz-Brücke sah, war unfassbar. Aus dem gleichen Grund war ich dort auch noch mal am späten Abend am 30. Mai 2023 und am nächsten Tag des schrecklichen Unfalls am 31. Mai 2023.
Tags zuvor am 30. Mai 2023 habe ich dort die Abbrucharbeiten der Holz-Brücke mit der Kamera dokumentiert, um auf die Missstände beim Abbruch hinzuweisen.
Die Videos- und Fotos zeigen sehr deutlich, dass es mit dem Arbeitsschutz haperte. Statt eine Fachfirma zu beauftragen, wurde die Entsorgungs- und Servicebetriebe Bocholt (ESB) beauftragt, um die Brücke abzureißen – ohne für notwendiges Gerät, Absicherung und Arbeitssicherheit zu sorgen. So habe ich es jedenfalls wahrgenommen und empfunden.
Für mich sahen die Abbrucharbeiten am 30.Mai 2023 nicht ungefährlich aus, weshalb ich auch Bilder und Videos anfertigte, um die Szenerie zu dokumentieren.
Zum Einsatz kamen unter anderem zwei Bagger (ein Bagger hatte einen Schalengreifer, der andere Bagger eine Art Palettengreifer), eine Kettensäge und zwei Containerbehälter. Als ich am Rodelberg ankam, wurden von drei ESB- Mitarbeitern die Laufschwellen demontiert. Ein Brückengeländer war wohl zuvor erheblich in Schieflage geraten. Dieses Geländer wurde notdürftig mit einer Seilwinde befestigt, vermutlich, damit die Holz-Brücke nicht zusammenbricht. Das diese die Last nicht aushalten kann, dürfte auf der Hand liegen.
Jeweils zwei Mitarbeiter des ESB hatten die Brückenschwellen nach und nach von der Brücke entfernt und diese an eine Ablagestelle geräumt. Zwischendurch kam der Bagger zum Einsatz, um weitere Brückenschwellen aus der Verankerung zu heben und diese ebenso an die Ablagestelle zu räumen. Auffällig dabei war, dass sich Mitarbeiter des ESB auf der Brücke aufhielten, während der Bagger seine Arbeit fortsetzte. Dabei vielen Brückenteile ins Wasser. Später war der Bagger zur anderen Seite der Holz-Brücke gefahren. Dazu benutzte er die Straße. Sodann wurde die andere Hälfte der Holz-Brücke in gleicher Weise zerlegt und demontiert.
Soweit ich das beobachten konnte, sahen die geschilderten Abbrucharbeiten nicht ungefährlich und ebenso wenig professionell aus. Es fehlte offenbar an der notwenigen Ausrüstung, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Am Abend des 30. Mai 2023 um ca. 20.15 Uhr war ich noch mal am Rodelberg, um nachzusehen, ob die Holz-Brücke abgebaut ist. Doch dem war nicht so. Sie befand sich noch dort, allerdings in einem wirklich schlimmen Zustand. An einigen Stellen wurde sie mit weiteren Seilwinden zusammengehalten, die ebenfalls nicht für die Last der Brücke ausgelegt sein dürften. Ich stellte mir die Frage, mit welchem Gerät nun die Holz-Brücke angehoben und weggeschafft wird.
Am Tag des Unfalls am 31. Mai 2023 wollte ich die restlichen Abbrucharbeiten vor Ort ansehen und den Vorgang bei der Stadt Bocholt melden, falls sich die gleiche Situation darstellt, weswegen ich auch am Abend zuvor dort war. Hier erfuhr ich, dass sich an der Holz-Brücke ein tragischer Unfall ereignet hatte.
Daher bitte ich in der Ratssitzung am 21. Juni 2023 um Beantwortung nachfolgender Fragen:
1. Wieso wurde für die Beseitigung der maroden Holz-Brücke keine externe Fachfirma beauftragt?
2. Wieso wurde die Holz-Brücke über Wasser zerlegt, statt das schwere Bauwerk mit einem oder mehreren Kranwagen anzuheben und wegzuschaffen oder auf dem Gelände zu zerlegen?
3. Wie erfolgte die Einweisung zum Abbruch der Holz-Brücke. Gab es konkrete Anweisungen, wie das Bauwerk zerlegt werden muss.
4. Wieso wurden die Abbauarbeiten offenbar nicht überwacht?
5. Warum bestand die Kolonne nur aus drei Personen?
6. Wieso gab es keine Fluchtwege bzw. wurden diese von beiden Seiten durch Baufahrzeuge versperrt?
7. Wurde der Verpflichtung in Sachen Gefährdungsbeurteilung nachgekommen, nämlich die Ermittlung und Beurteilung der für die Beschäftigten und die Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen? Wenn ja, wie sehen die Ergebnisse konkret aus?
8. Wer ist dafür verantwortlich und trägt die Verantwortung?
Einige Fotos befinden sich im Anhang.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Sauer“